Blitzlichter aus den Seminaren: Gruppe 1804

Blind sehen

In der ersten Seminarwoche hatten sich die Leiter eine Übung überlegt: Eine Person erhält zwei Wattebäuschchen, die sie unter einer Augenbinde auf die geschlossenen Augen legt. Die Herausforderung ist, etwa eine Stunde lang von einem Partner durch die Gegend der Herberge geführt zu werden. Eine Stunde ist eine lange Zeit. So war erst Skepsis in den Gesichtern der Teilnehmer zu erkennen. Aber auch Neugierde. 

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Jan Fasbender

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Sonja Wirtz
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In der ersten Seminarwoche hatten sich die Leiter eine Übung überlegt: Eine Person erhält zwei Wattebäuschchen, die sie unter einer Augenbinde auf die geschlossenen Augen legt. Die Herausforderung ist, etwa eine Stunde lang von einem Partner durch die Gegend der Herberge geführt zu werden. Eine Stunde ist eine lange Zeit. So war erst Skepsis in den Gesichtern der Teilnehmer zu erkennen. Aber auch Neugierde.

Bedingung war, innerhalb der gegeben Zeit wieder zurück zu sein, mehr nicht. Man durfte sich kleine Challenges überlegen, sowie Experimente und Ideen einfließen lassen, um für ein vielseitiges Erlebnis zu sorgen. 

Es begann mit den ersten Schritten auf dem Gelände der Herberge. Sehr holprig und zögerlich stolperten oder schlichen die “Blinden” auf dem Gelände umher. Die Arme hochgezogen und in Abwehrposition, aufgrund des noch nicht bestehenden Vertrauens. Wer zieht eine ganze Stunde durch und wer macht vorher schlapp? 
 

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Blind sehen: Freddi mit Augenbinde

Walderkundung

Die anfangs noch gesammelten Paare zerstreuten sich mit der Zeit. Ich peilte mit meinem Übungs-Partner Freddi den naheliegenden Wald an. Dabei war das erste große Problem eine Landstraße, die recht gut befahren wurde. Mit einem blinden Partner diese zu überqueren war die erste große Aufgabe. Dabei kam zur wörtlichen Anweisung auch mal das Schieben oder Ziehen zur Sicherheit des Partners. Andere Paare überlegten sich auch den Wald zu nutzen. Dieser war blind ein völlig neues Erlebnis. Man nahm Geräusche und Gerüche viel stärker wahr. Jedes Gefühl war auf einmal viel stärker und bewusster. Wir gaben uns gegenseitig viel zum Greifen und Fühlen und ließen sie den jeweils Blinden erraten. Buchecker, Blätter, Rinde, etc. 
 

Zunehmendes Vertrauen

Im Verlaufe der Zeit erhöhte sich bei den meisten Paaren das Tempo des Blinden. Das Vertrauen in den Führenden stieg, die Arme senkten sich zu einer gewöhnlichen Gehhaltung. Man gewann durch den bisher sicheren Verlauf des Spaziergangs an Selbstvertrauen, sowie Verlass auf den Partner. Fotos sorgten für lustige Überraschungsmomente, da der “Blinde” die besuchten Orte völlig anders wahrgenommen hatte, als auf den Fotos zu sehen. 

Steinstufe

Challenge

Nach dem Wechsel überlegte sich Freddi eine in der Theorie simple Challenge: Ich sollte von einer Erhöhung herunterspringen. Das Selbstbewusstsein war auf einmal kurzzeitig weg. Angst übernahm die Kontrolle, dabei war die Erhöhung vielleicht 40 cm. hoch. Es galt diesen Angst-Instinkten Herr zu werden, was quasi allen in der Zeit, die sie sich genommen hatten gelungen war. Nur wenige erreichten den Punkt der Sicherheit nicht und nahmen vorzeitig die Binde ab. Am Ende des Spaziergangs, beim Abnehmen der Blinde, bemerkte man erst wie stark der Körper den Sehsinn ausgeschaltet hatte. Es brauchte bestimmt 30 Sekunden bis man wieder einigermaßen vernünftig sehen konnte. Dieses Gefühl war jedoch auch sehr befreiend.

Was ist leicht?

Die Übung stärkt eine Vielzahl an Faktoren. Es stärkt eigene Sinne, wie zum Beispiel Hören, Fühlen und Riechen, welche dem Sehsinn untergestellt sind. Es gibt einem eine völlig neue Erfahrung von Umgebungen und Orten. Es stärkt das Entwickeln von Vertrauen, sowie das allgemeine Vertrauen in eine leitende Kraft. Zusätzlich konnte man in der Gruppe seinen Partner besser kennen lernen. 

Ein wichtiger Aspekt wurde noch nicht genannt: Im Bereich der sozialen Arbeit, in welchem wir BFDler und FSJler ein Jahr lang Erfahrung sammeln, gibt es oft Situationen, in welchem Menschen mit denen wir zusammenarbeiten Schwierigkeiten mit Situationen haben, die uns womöglich leicht fallen. Dabei vergisst man schnell, dass die Situation, die uns so leicht fallen mag, manchen Menschen aus ganz anderen Gründen schwer fallen kann. Man stellt fest, dass jeder Mensch mit anderen Problemen zu kämpfen hat, und Einsicht der beste Weg ist, um dieser Person helfen zu können. Sich in sie hineinzuversetzen und zu überlegen und nachzuvollziehen, was die Schwierigkeit ist mit der diese Person zu kämpfen hat. Geduld ist wichtig, aber auch eine helfende Kraft für diese Personen darzustellen, wie Jemand der einen Blinden führt... 

Die Übung ist meiner Meinung nach, in vielen Aspekten gut für Seminare geeignet. Gruppenharmonie, Sinnes-Stärkung, Vertrauen und vieles weitere, was alles durch eine Übung gefördert und bewusst gemacht wird. Für kommende Seminargruppen eine große Empfehlung. 

Text: Jan Fasbender